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#103 | 16.10.2025
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Richtigstellung: Im Briefing der letzten Woche „Empathisch kommunizieren in der Pflege“ haben wir uns mit der Studie „The Meaning of the Empathetic Nurse–Patient Communication: A Qualitative Study“ auseinandergesetzt.
Im Anschluss daran kamen einige Stimmen aus der Community, die im Briefing die Verwendung des Begriffs Empathie kritisch erwähnt haben. Wir müssen sagen: Ihr habt völlig recht!
Der Begriff bzw. das Konzept der Empathie ist schon lange durch die Psychologie definiert. In der betrachteten Studie findet sich dabei nur wenig, was mit der etablierten Definition übereinstimmt. Dies ist einerseits möglicherweise auf den kulturellen Hintergrund der Studie, die im Iran durchgeführt wurde, zurückzuführen. Andererseits zeigt es uns, wie wichtig es ist, die hier verwendeten Studien und die darin genutzten Begriffe kritisch zu betrachten und zu hinterfragen. Die aus der Studie abgeleiteten Handlungsempfehlungen sind daher mit besonderer Vorsicht zu interpretieren. Mit Blick auf den etablierten Empathiebegriff würde es sich eher anbieten, im Pflegesetting eine Diskussion über die gegenüber Patient:innen oder Bewohner:innen gelebte Empathie zu führen, damit dieses wichtige Thema in den Fokus der Pflege rückt und die Beachtung erfährt, die es verdient. Denn ein wenig Empathie können wir in den aktuellen Zeiten alle gebrauchen.
Zum Schluss möchten wir für alle Irritationen um Entschuldigung bitten und versprechen, die berechtigte Kritik in Zukunft bei den kommenden Briefings im Kopf zu behalten.

Wer einen umfassenden Überblick zum Thema Empathie haben möchte, kann in diesen Podcast mit Ludwig Thiry reinhören.

Und jetzt: viel Spaß mit dem neuen Briefing! Euer Team der Übergabe.

Worum geht's?

Die Studie untersucht das Phänomen der nicht oder verspätet durchgeführten Pflegehandlungen, sogenannte „Missed Nursing Care“ (MNC), in Notaufnahmen. Es wird beleuchtet, welche Pflegehandlungen häufig ausgelassen werden, was die Ursachen dafür sind und wie dies mit der Patient:innensicherheit und Pflegequalität zusammenhängt. 

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Kalisch et al. definieren den Begriff Missed Nursing Care als "... das wiederholte Weglassen pflegerischer Maßnahmen, die ganz oder teilweise nicht, nur verzögert oder nicht in der erforderlichen fachlichen Reichweite durchgeführt werden." Typische Beispiele für Missed Nursing Care sind das Auslassen von Mobilisation, das Nichtdurchführen geplanter Patientenaufklärung, das Versäumen von Mundpflege oder Hautinspektion, das verzögerte Verabreichen von Medikamenten oder das Nichtdokumentieren durchgeführter Maßnahmen. Solche Versorgungsdefizite treten häufig in Situationen auf, in denen Zeitdruck, Personalmangel, hohe Arbeitsbelastung oder Unterbrechungen im Arbeitsfluss vorherrschen. Die Auswirkungen von Missed Nursing Care sind weitreichend. Auf Patient:innenebene kann sie zu einer Zunahme von Komplikationen, wie etwa Dekubitus, Stürzen, Infektionen oder verlängerten Krankenhausaufenthalten führen. Auch das Erleben von Sicherheit, Vertrauen und Würde der Patient:innen wird beeinträchtigt, wenn grundlegende pflegerische Bedürfnisse unerfüllt bleiben. Auf professioneller Ebene beeinflusst Missed Nursing Care das berufliche Selbstverständnis und die Arbeitszufriedenheit von Pflegefachpersonen: Sie erleben häufiger moralischen Stress, da sie wissen, dass sie nicht die Versorgung leisten können, die sie als fachlich notwendig und ethisch richtig empfinden. Gesamtgesellschaftlich betrachtet gilt Missed Nursing Care als ein Frühwarnsignal für strukturelle Probleme im Gesundheitssystem. Sie macht sichtbar, dass Pflegende Prioritäten setzen müssen, die oft nicht am Bedarf der Patient:innen, sondern an Zeit- und Ressourcendefiziten orientiert sind. Forschungsergebnisse zeigen, dass dort, wo Missed Nursing Care regelmäßig auftritt, auch die Mortalität und Rehospitalisierungsraten steigen und die Patient:innenergebnisse insgesamt schlechter sind.

Was war das Ziel der Studie?

Ziel der Scoping Review war es, die vorhandene Forschung zu MNC in Notaufnahmen systematisch zu erfassen, zusammenzufassen und zugänglich zu machen. Die Autor:innen wollten herausfinden, welche Pflegehandlungen typischerweise ausgelassen werden, warum dies geschieht und welche Auswirkungen das auf Patient:innen hat.