Zukunftspakt Pflege: Strukturreform mit offenen Fragen

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ verfolgt das Ziel, die soziale Pflegeversicherung langfristig stabil und verlässlich zu gestalten. Ausgangspunkt ist die wachsende Finanzierungslücke von mehreren Milliarden Euro, die ab 2026 sichtbar wird. Trotz steigender Beiträge reichen die Mittel nicht mehr aus, um den wachsenden Bedarf zu decken.

Soziale Pflegeversicherung für die Zukunft aufstellen
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat am 13.10.2025 die ersten Zwischenergebnisse der Fachebene für eine stabile, verlässliche und zukunftsfähige Soziale Pflegeversicherung erörtert.

Die Fachebene der Arbeitsgruppe hat nun erste Zwischenergebnisse vorgelegt. Demnach sollen die bestehenden Pflegegrade erhalten, aber einfacher gestaltet werden. Eigenanteile sollen begrenzt oder zumindest gedämpft werden. Der Pflegegrad 1 soll künftig stärker präventiv ausgerichtet sein, um frühzeitig Unterstützung und Entlastung zu ermöglichen. Gleichzeitig werden sektorübergreifende Budgets geprüft, die die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung auflösen sollen.

Die Zielrichtung ist klar: Pflege soll möglichst lange im häuslichen Umfeld stattfinden. Dafür müssen pflegende Angehörige besser unterstützt und Leistungen transparenter gestaltet werden. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken betont, Pflege müsse bezahlbar bleiben, ohne die Beitragszahler:innen weiter zu belasten. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hebt die Notwendigkeit hervor, das komplexe Leistungsrecht zu vereinfachen, damit Betroffene und Angehörige sich besser zurechtfinden.

Bis Dezember 2025 soll ein Entwurf mit konkreten Reformvorschlägen vorliegen. Der Zukunftspakt Pflege wird damit zum zentralen Prüfstein für die künftige Ausrichtung der Pflegeversicherung.

Perspektive der Profession

Der Deutsche Pflegerat bewertet den Zukunftspakt grundsätzlich positiv, kritisiert jedoch die geringe Einbindung der Profession in die Entscheidungsprozesse. Präsidentin Christine Vogler warnt, Pflege dürfe nicht nur als Ressource zur Effizienzsteigerung verstanden werden. Eine nachhaltige Reform müsse pflegerische Expertise strukturell verankern und Pflegefachpersonen gleichwertig in Planung und Gestaltung einbeziehen. Ohne verbindliche Entscheidungsrechte drohe der Zukunftspakt an der Praxis vorbeizuplanen.

Damit wird ein zentraler Aspekt sichtbar: Pflegepolitik ist nur dann wirksam, wenn sie pflegefachlich legitimiert ist.

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Pflegegesetze: Befugniserweiterung und Pflegefachassistenzgesetz

Neben dem Zukunftspakt markieren zwei Gesetzesvorhaben zentrale Schritte der aktuellen Reformpolitik: der Gesetzentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege sowie das Pflegefachassistenzgesetz.

Befugniserweiterung und Entbürokratisierung

Mit dem Gesetz zur Befugniserweiterung sollen pflegerische Kompetenzen rechtlich gestärkt werden. Der Deutsche Pflegerat begrüßt das Vorhaben als wichtigen Schritt, kritisiert jedoch die weiterhin starke Bindung an ärztliche Diagnostik. Pflege müsse, so die Argumentation, eigenständige Handlungsfelder definieren und Verantwortung übernehmen können – etwa für Rollen wie Advanced Practice Nurses oder Community Health Nurses.

Deutscher Bundestag - Experten sehen Befugnis­erweiterung in der Pflege grundsätzlich...
Gesundheitsexperten sehen die von der Bundesregierung geplante Befugniserweiterung und Entbürokratisierung für Pflegefachkräfte im Grundsatz positiv. Einige Sachverständige forderten…

Das Gesetz ist Ausdruck eines langfristigen Wandels hin zu einer erweiterten pflegerischen Praxis. Es stärkt das Konzept der Eigenverantwortung und kann dazu beitragen, Versorgungsengpässe zu entschärfen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Umsetzung nicht an rechtlichen Abhängigkeiten oder bürokratischen Vorgaben scheitert.

Pflegefachassistenzgesetz: Struktur und Durchlässigkeit

Mit dem Pflegefachassistenzgesetz wird erstmals ein bundeseinheitlicher Rahmen für die Ausbildung von Pflegefachassistenzpersonen geschaffen. Der bisherige Flickenteppich aus 27 unterschiedlichen Landesregelungen wird damit beendet. Ab 2027 startet die neue 18-monatige Ausbildung, die auch in Teilzeit absolviert werden kann.

Bundestag beschließt Pflegefachassistenzgesetz | Bundesregierung
Der Bundestag hat nun den Pflegefachassistenzgesetzentwurf beschlossen - für ein eigenständiges und einheitliches Berufsbild der Pflegefachassistenz.

Zugangsvoraussetzung ist in der Regel ein Hauptschulabschluss, doch auch Bewerber:innen ohne Abschluss können zugelassen werden, wenn eine Pflegeschule eine positive Prognose stellt. Erstmals erhalten alle Auszubildenden eine angemessene Vergütung. Nach Abschluss der Ausbildung können Pflegefachassistenzpersonen in allen Versorgungsbereichen tätig werden – stationär, ambulant und im Krankenhaus.

Das Gesetz stärkt die Durchlässigkeit im Bildungssystem: Der Einstieg in die generalistische Ausbildung wird erleichtert, und nicht abgeschlossene Ausbildungen können auf den Assistenzabschluss angerechnet werden. Die Bundesregierung spricht von einem modernen Bildungssystem, das Qualifikationswege in der Pflege sinnvoll verzahnt.

Für Pflegefachpersonen entsteht dadurch die Möglichkeit, Kompetenzen klar abzugrenzen und die Zusammenarbeit zwischen Qualifikationsstufen zu strukturieren. Langfristig kann das Gesetz zur Entlastung der professionellen Pflege beitragen – vorausgesetzt, die Einsatzplanung orientiert sich an tatsächlichen Qualifikationen und nicht an Kostenerwägungen.

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Pflege im internationalen Kontext: Die neue ICN-Definition

Das International Council of Nurses (ICN) hat 2024 eine neue Definition von „Nurse“ und „Nursing“ veröffentlicht. Nun liegt auch die offizielle deutsche Übersetzung vor, herausgegeben von den ICN-Mitgliedsverbänden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz.

„Nurse“ und „Nursing“ jetzt in deutscher Übersetzung
Was bedeutet es, Pflegefachperson zu sein? Wie definiert sich die Berufsgruppe? Welche Bedeutung hat das für pflegerisches Handeln, aber auch für die Gesellschaft und Politik? Antworten liefert die Neudefinition der Begriffe „Nurse“ und „Nursing“, veröffentlicht anlässlich des diesjährigen Kongresses des International Council of Nurses (ICN). Die drei deutschsprachigen Mitgliedsverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz legen jetzt eine gemeinsam erarbeitete und vom ICN autorisierte Übersetzung vor.

Die Definition beschreibt Pflege als eigenständige, wissenschaftlich fundierte und verantwortliche Profession, die das gesamte Spektrum pflegerischer Versorgung umfasst – von Akutpflege über Langzeitpflege bis hin zu Prävention, Beratung und Forschung. Sie betont die gesellschaftliche Verantwortung der Pflege und ihre Rolle in interprofessionellen Versorgungssystemen.

Für die deutschsprachige Pflegegemeinschaft bietet die Übersetzung eine gemeinsame Grundlage, um das professionelle Selbstverständnis zu schärfen. Sie kann Orientierung bieten für Ausbildungscurricula, politische Programme und fachliche Diskussionen über die zukünftige Rolle von Pflegefachpersonen.

Die neue Definition ist damit mehr als eine sprachliche Anpassung. Sie markiert einen normativen Bezugspunkt, an dem sich die Weiterentwicklung der Profession in Ausbildung, Praxis und Wissenschaft ausrichten kann.

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Fazit

Die Themen der aktuellen PflegeUpdate-Folge verdeutlichen, dass Pflegepolitik, Professionalisierung und Selbstverständnis zunehmend ineinandergreifen. Der Zukunftspakt Pflege versucht, finanzielle und strukturelle Probleme zu lösen, ohne die pflegefachliche Perspektive ausreichend zu berücksichtigen. Die neuen Gesetze stärken Kompetenzen und schaffen einheitliche Bildungswege, während die ICN-Definition den theoretischen und ethischen Rahmen einer modernen Pflegepraxis liefert.

Für Pflegefachpersonen bedeutet das: Die kommenden Monate werden von Entscheidungen geprägt sein, die ihre Rolle im Gesundheitswesen neu definieren. Nur wenn pflegerische Expertise auf allen Ebenen beteiligt ist – von der Gesetzgebung bis zur Versorgungspraxis – kann Pflege evidenzbasiert, wirksam und zukunftsfähig gestaltet werden.