Hintergrund der PPR 2.0
Ursprünge: PPR 1.0 und die Entwicklung bis heute
Die PPR 1.0, die in den frühen 1990er Jahren eingeführt wurde, stellte den ersten Schritt dar, um eine systematische Personalplanung in der Pflege zu implementieren. Obwohl sie ambitioniert war, konnte sie sich nicht dauerhaft etablieren und wurde aufgrund verschiedener Kritikpunkte sowie den ständigen Veränderungen im Gesundheitswesen abgeschafft. Dies führte über die Jahre zu einem verstärkten Pflegekräftemangel, der die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigte. Die PPR 2.0 zielt darauf ab, auf den Erfahrungen und Erkenntnissen der Vergangenheit aufzubauen und ein aktualisiertes System zu entwickeln, das den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gerecht wird.
Der Pflegeaufwand wird mithilfe des Pflegelastkataloges des InEK ermittelt. Hierzu sind fallbezogene Informationen erforderlich, die in den Daten nach § 21 KHEntgG enthalten sind. Der Grundgedanke lautet: Jedem oder jeder vollstationär versorgten Patient:in wird eine DRG (Fallpauschale) zugewiesen. Die Fälle wurden nach dem aG-DRG-System 2021 gruppiert. Jedem oder jeder vollstationären Patient:in wird eine DRG (Diagnosis Related Groups) beziehungsweise Fall-pauschale des aG-DRG-Fallpauschalen-Kataloges für 2021 zugewiesen.
(Quelle: Bibliomed-Pflege)
Die politische und gesellschaftliche Dimension
Die Diskussion über die PPR 2.0 ist vielschichtig: Sie ist nicht nur fachlich, sondern auch politisch und gesellschaftlich von Bedeutung. Diese Debatte ist Teil umfassenderer Diskussionen über die Zukunft und die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems, die Arbeitsbedingungen in der Pflege und die Anerkennung des Pflegeberufs in der Gesellschaft.
Ziele der PPR 2.0
Adäquate Personalbemessung
Ein Hauptziel der PPR 2.0 ist es, den tatsächlichen Pflegeaufwand genauer zu erfassen. Dies geschieht durch die systematische Aufzeichnung von Pflegemaßnahmen und der daraus resultierenden Zeit in Minuten. Ziel ist es, den Personalbedarf realistischer darzustellen und eine solide Basis für eine bedarfsgerechte Personalplanung zu schaffen.
"Es ist ja nicht so, dass die Untergrenzen jetzt besonders toll waren, aber mit der PPR 2.0 haben wir jetzt die Möglichkeit, wirklich auf den individuellen Patientenbedarf einzugehen. Das war vorher in dem Maße einfach nicht möglich."
(Arne Evers)
Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Versorgungsqualität
Die PPR 2.0 zielt darauf ab, eine bessere Übereinstimmung zwischen dem Pflegebedarf der Patient:innen und den verfügbaren Personalressourcen zu erreichen. Dies soll nicht nur die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern, sondern auch die Qualität der Versorgung steigern.
Digitalisierung und Bürokratieabbau
Ein zusätzliches Ziel der PPR 2.0 ist die Verringerung des administrativen Aufwands durch die Digitalisierung und Standardisierung der Datenerfassung und -verarbeitung. Dies soll es den Pflegekräften ermöglichen, mehr Zeit direkt bei den Patient:innen zu verbringen und weniger Zeit für bürokratische Aufgaben aufzuwenden.
Übergabe Podcast aus dem Jahr 2019
Herausforderungen und Kritikpunkte der PPR 2.0
Bürokratische Belastung vs. Digitalisierung
Ein häufiger Kritikpunkt an der PPR 2.0 ist der möglicherweise hohe bürokratische Aufwand. Die detaillierte Dokumentation von Pflegemaßnahmen und deren Umrechnung in Minutenwerte könnte, falls nicht durch ausreichende digitale Hilfsmittel unterstützt, eine zusätzliche Belastung für das Pflegepersonal darstellen. Obwohl die Digitalisierung als Lösung vorgeschlagen wird, stehen viele Einrichtungen vor der Herausforderung, notwendige digitale Infrastrukturen erst zu entwickeln oder zu verbessern.
Mangelnde Einheitlichkeit und Überforderung der Systeme
Die zahlreichen bestehenden Regelungen und Standards im Pflegebereich machen die einheitliche Anwendung der PPR 2.0 schwierig. Unterschiedliche Vorgaben aus verschiedenen Regelwerken können Verwirrung stiften und den Koordinationsaufwand erhöhen.
"Die Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung des bürokratischen Aufwands und der effizienten Umsetzung der PPR 2.0. [...] Es ist in Anführungszeichen schon alles fertig programmiert. Einige Firmen, die warten halt einfach nur."
(Arne Evers)
Qualifikationsmix und Pflegekompetenz
Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft die angemessene Berücksichtigung verschiedener Qualifikationsniveaus in der Pflege. Die PPR 2.0 muss sicherstellen, dass die breite Palette an Kompetenzen und Spezialisierungen innerhalb des Pflegepersonals angemessen in der Personalbemessung reflektiert wird.
Praktische Umsetzung und Ausblick
Implementierung und Anpassungsprozesse
Für die erfolgreiche Einführung der PPR 2.0 sind umfangreiche Schulungen und Anpassungsprozesse in den Krankenhäusern notwendig. Pflegekräfte müssen in der Handhabung der neuen Regelungen geschult werden, und die administrativen Prozesse müssen den Anforderungen der digitalen Datenerfassung und -übermittlung angepasst werden.
Die Rolle der Digitalisierung
Die Digitalisierung ist entscheidend für die Reduktion des bürokratischen Aufwands und die effektive Implementierung der PPR 2.0. Digitale Pflegedokumentationssysteme erleichtern die Erfassung und Auswertung der notwendigen Daten und tragen so direkt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals bei.
Zukünftige Entwicklungen
Es wird erwartet, dass die PPR 2.0 einem kontinuierlichen Entwicklungs- und Anpassungsprozess unterzogen wird. Praktische Rückmeldungen und wissenschaftliche Begleitforschung sind notwendig, um das System weiter zu verfeinern und es an die dynamischen Anforderungen der Pflegepraxis anzupassen.
"Die Aufgabe der Pflegekräfte am Bett ist es, diese Daten zur Einschätzung zu erheben. [...] Pflege muss auch in der Lage sein, ihre eigene Leistung zu erfassen. Und das Problem, was momentan herrscht, ist halt eben, man möchte es nicht auf Papier machen, nachvollziehbar. Und es gibt kaum funktionsfähige Computersysteme, die das momentan können."
(Arne Evers)
Fazit
Die Einführung der PPR 2.0 markiert einen wichtigen Schritt hin zu einer systematischen und bedarfsorientierten Personalbemessung in der Pflege. Trotz bestehender Herausforderungen und Kritikpunkte bietet sie die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern und die Qualität der Patientenversorgung zu erhöhen. Der Erfolg der PPR 2.0 wird wesentlich davon abhängen, wie effektiv die Umsetzung gestaltet, digitale Lösungen integriert und alle Beteiligten in einen fortlaufenden Verbesserungsprozess einbezogen werden können. Die zukünftige Bewährung der PPR 2.0 in der Praxis und ihre Auswirkungen auf das Gesundheitssystem bleiben gespannt abzuwarten.
Video zur PPR 2.0
Alle Podcasts zum Thema PPR 2.0
Zum weiterlesen
- Kontakt Arne Evers (Pflegedirektor St. Josefs-Hospital Wiesbaden)
- Eckpunkte zur Umsetzung der PPR 2.0
- Anwendungsvorschriften für die Pflege-Personalregelung 2.0 (Stand 04.04.2023)
- Katholischer Krankenhausverband Deutschland e.V.
- Deutsche Krankenhausgesellschaft
- DBfK Bundesarbeitsgemeinschaften (BAG)
- Hessische Krankenhausgesellschaft e. V.
- Pflegekompetenzgesetz - Vorläufige Eckpunkte Pflegekompetenzgesetz
- Gesundheitsstrukturgesetz
- Selbstkostendeckung
- Pflegekomplexmaßnahmen-Scores (PKMS)
- Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene
- Schreyögg Gutachten zur Krankenhausfinanzierung
- Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – PpSG
- Tarifvertrag Entlastung Verdi
- Erhebung DBfK zur Situation beruflich Pflegender im zweiten Corona-Lockdown
- Bericht über die Auswirkungen der Pflegepersonaluntergrenzen des GKV Spitzenverbandes
- Studie zur Pflegepersonalausstattung und „Pflegelast“ in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern – KPMG Gutachten
- Pre-Test einer modernisierten Pflegepersonal- Regelung für Erwachsene PPR 2.0
- Erprobung der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) und der Kinder-Pflegepersonalregelung 2.0 (Kinder-PPR 2.0)
- Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG)
- Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) e.V.
- INPULS - Leistungserfassungssystem Intensivstation Universitätsklinikum Heidelberg
- Gesundheitsausschuss des Bundesrates
- Pflegepersonalbemessungsverordnung – PPBV
- Krankenhaustransparenzgesetz
- European Nursing care Pathways (ENP)
- Vorläufige Eckpunkte Pflegekompetenzgesetz
- Personalbemessungsverfahren in der vollstationären Pflege
- Pflegebedürftigkeit – Begutachtungsinstrument
- INEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus)
- Krankenhausstrukturreform
- Reform der Notfall- und Akutversorgung: Rettungsdienst und Finanzierung
- Heilkundeübertragung: Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an ausgebildete Pflegekräfte
- Pflegekräftevorausberechnung - 2024 bis 2070
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